Aktueller Kommentar von Dr. Koch 27.09.2025
Eine Heckenschere für ganz dicke Äste
In wenigen Tagen findet eine Sitzung des Bundeskabinetts statt, die sich nur mit den Themen der Staatsmodernisierung und des Bürokratieabbaus beschäftigen wird. Daher lohnt es sich, etwas näher zu betrachten, was in anderen Teilen der Welt gerade geschieht. In seiner beängstigenden Art hat Präsident Donald Trump etwas identifiziert, das ihm missfällt, und es mit einer Abrissbirne angegangen, nämlich die Bürokratie und die vielfältigen staatlichen Subventionen. Durch eine schlichte Anordnung des Präsidenten wurden amerikanische Finanzmittel gestrichen, sodass Hilfsprogramme weltweit kurz vor dem Zusammenbruch stehen. Es wurden Behörden, sogar das nationale Bildungsministerium, einfach geschlossen. Kein Zweifel, diese Art ist kein Beispiel für uns in Deutschland. Solche Schritte lösen viele Schäden aus, die kein Politiker der Mitte den Bürgern zumuten wird. Aber wir müssen aufpassen, dass wir bei dieser berechtigten Skepsis nicht Entwicklungen in anderen Teilen der Welt übersehen, die für unsere politische und ökonomische Freiheit von erheblicher Bedeutung sein werden.
Bürokratieabbau kommt weltweit in Gang
Wenn es um eine andere Art von Kürzungen geht, nämlich bei den Vorschriften statt bei den Ausgaben, ist Trump Teil eines globalen Trends. Von Buenos Aires und Delhi bis Brüssel und London haben Politiker versprochen, die Bürokratie, die die Wirtschaft behindert, abzubauen. Javier Milei hat die argentinischen Vorschriften „mit der Kettensäge bearbeitet“. Die Berater von Narendra Modi in Indien gehen still und leise gegen Indiens bürokratische Beamte vor, die es lieben, alles dreifach zu dokumentieren. Rachel Reeves, die britische Finanzministerin, plant eine Überarbeitung der Planungsvorschriften und den Ausbau des Londoner Flughafens Heathrow. Selbst die Kommunistische Partei in Vietnam hat einen Plan zur Verkleinerung der Bürokratie.
Wenn sie richtig durchgeführt wird, könnte die Revolution gegen den bürokratischen Aufwand zu mehr Freiheit, schnellerem Wirtschaftswachstum, niedrigeren Preisen und neuen Technologien führen. Seit Jahren behindern übermäßige Vorschriften den Wohnungsbau und stehen insgesamt Investitionen und Innovationen im Wege. Aufgrund der schieren Menge der heutigen Vorschriften ist Ehrgeiz gefragt. In den USA hat man gemessen, dass die Amerikaner insgesamt 12 Milliarden Stunden pro Jahr damit verbringen, Bundesvorschriften einzuhalten, darunter solche zum Marketing und Verkauf von Honig und zur Einhaltung von Standards für die Entflammbarkeit von Kinderpyjamas. Wir sind ganz sicher in der Lage, in Deutschland mitzuhalten, sei es nur mit der Baurechtsvorschrift für die Begrenzung von Trittschall auf Außenbalkonen.
Den Wust der Vorschriften übersieht niemand mehr
In den USA umfasst der Bundesgesetzeskodex immerhin stolze 180.000 Seiten, gegenüber 20.000 in den 1960er Jahren. Aber leider gewinnen wir auch diesen traurigen Wettbewerb. In den letzten fünf Jahren hat das Europäische Parlament mehr als doppelt so viele Gesetze erlassen wie Amerika. Auch im von der EU getrennten Großbritannien führen gut gemeinte Vorschriften zum Schutz von Fledermäusen, Molchen und seltenen Pilzen dazu, dass neue Infrastrukturprojekte behindert, verzögert und verteuert werden.
Diese Zunahme der Bürokratie spiegelt wider, wie sich die Welt verändert. Der Aufstieg des Internets bedeutet selbstverständlich, dass Länder Vorschriften brauchen, um Menschen vor Online-Betrug zu schützen; die Erderwärmung erfordert Regeln zur Begrenzung der CO2-Emissionen. Nachdem die globale Finanzkrise das Vertrauen in den Kapitalismus erschüttert hat, erscheint es naiv, darauf zu vertrauen, dass der Markt allein gutes Verhalten fördert. Lange Zeit haben die Wähler diese Entwicklung nicht nur toleriert, sondern gefordert. Da sie älter und wohlhabender geworden sind, haben sie mehr zu verlieren und fordern von den Regierungen, ihre Hinterhöfe und ihre Ersparnisse zu schützen.
Karsten Wildberger - ein Minister, der starke Nerven braucht
Vor diesen Herausforderungen stehen der Bundesminister für Digitales und Staatsmodernisierung der Bundesrepublik Deutschland, Karsten Wildberger, und sein neu aufgestelltes Team. Entschlossenheit bis zur Kompromisslosigkeit, die Bereitschaft mächtige Interessengruppen gegen sich aufzubringen, Ausdauer, Augenmaß und Sachkunde werden ihn begleiten müssen, wahrscheinlich am Ende auch einfach Glück. Alle Ängstlichen und alle geübten Kritiker sollte sich aber an den ersten Teil dieses Textes erinnern. Nicht einmal bei diesem Punkt ruht der Rest der Welt. Unsere Wettbewerbsfähigkeit wird gerade durch diese vollständige bürokratische Umarmung gehemmt. Wenn die anderen internationalen Wettbewerber ihre staatliche Organisation leistungsfähig machen, wird der Aufholwettbewerb noch dringlicher. Die allgemeinen Klagen über die außer Kontrolle geratene Regelungswut lässt hoffen, dass es wenigstens für die ersten Schritte Rückenwind gibt.
Keine Kettensäge - aber dennoch eine schmerzhafte Sanierung
In vielen Zeitungen kann man lesen, die Kettensäge Argentiniens (und Amerikas) brauchen wir nicht, es genüge die Heckenschere. Das ist richtig, aber wer den Heckenschnitt harmlos findet, der wird sich täuschen. Da ich selbst eine sehr harte Sanierung eines Bundeslandes hinter mir habe, glaube ich, eine Vorstellung von dem Ärger zu haben. Karsten Wildberger sagte in den Medien dazu: „Die 960 nachgelagerten Behörden sind ein Ausdruck der Komplexität, die sich über Jahrzehnte aufgebaut hat. Ein echter Bürokratieabbau erfordert, diese Strukturen konsequent zu überprüfen und, wo möglich, aufzubrechen, zusammenzuführen und zu vereinfachen. Und wir müssen vor allen Dingen an den Ursachen ansetzen, um die überbordende Bürokratie schrittweise, aber spürbar zurückzuführen.“ Das bedeutet Schließung und Zusammenlegung von Behörden auch bei uns. Es bedeutet, viele Vorschriften, deren Nützlichkeit zwar unbestritten, aber im Verhältnis zu den Kosten zu klein ist, ersatzlos aufzuheben. In der Finanzmarktregulierung ist es jetzt gelungen, dass die Behörden auf die Erhebung von Daten verzichtet, die sie niemals verwendet haben. Das ist sicher gut, aber völlig unzureichend. Damit werden Risiken entstehen. Friedrich Merz hat vor kurzem darauf hingewiesen, dass wir nicht jede mögliche Gefahr durch staatliche Regelung im Vorhinein aus dem Leben verbannen können. Wer Gefahren schafft, haftet für Schäden, muss sich versichern und wird ganz egoistisch vorsichtig bleiben. Darauf müssen wir wieder mehr vertrauen.
Die Staatsmodernisierung muss gelingen
Für Karsten Wildberger ist eine Gunst der Stunde, dass der Bundehaushalt gerade so tiefgreifend saniert werden muss. Insgesamt will der Minister die Bürokratiekosten um 16 Milliarden Euro senken und dabei auch tausende Stellen in Ministerien streichen. Union und SPD haben sich ja in ihrem Koalitionsvertrag auf das Ziel verständigt, im Stellenbestand der Bundesverwaltung insgesamt acht Prozent einzusparen. Am Ende des Monats soll eine Klausur des Bundeskabinetts über die ersten Schritte beraten. Als Minister hat er in den ersten Wochen schon erlebt, wie viele in der Beamtenhierarchie lieber Sand ins Getriebe werfen als zu den Reformern „überzulaufen“. Um diese seit Jahrzehnten vorhandene Blockadehaltung zu überwinden, bekam Wildberger besondere Vollmachten. Die wird er nutzen müssen. Und ohne ein Machtwort des Kanzlers wird es sicher auch nicht gehen.
Aber da unsere Wettbewerber nicht schlafen, wir kein Geld mehr haben und uns die Zukunftsindustrien davonzulaufen drohen, ist es jetzt Zeit. Auch das fasst der neue Minister richtig zusammen: „Denn Entbürokratisierung und Vertrauen in die kreative Kraft der Menschen bringt nicht nur Wirtschaftswachstum, sondern auch gesellschaftlichen Aufbruch", sagte er. "Nachhaltige Veränderung braucht Richtung, Mut und Ausdauer – und den politischen Willen." Man muss ihm Glück und gute Nerven schon in der ersten Kabinettsrunde wünschen!